Ernst Carl Abbe

Ernst Abbe, Gründer der Carl-Zeiss-Stiftung, kam aus ärmlichen Verhältnissen. Während der Schulzeit und seines Studiums war er auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Diese Erfahrungen aus Kindheit und Jugend prägten den späteren Wissenschaftler, Unternehmer und Visionär.

"Öffentliches Gut"

Für seine Arbeit beanspruchte Ernst Abbe nur einen Teil des Unternehmensgewinns von Schott und Zeiss als Lohn. Den darüberhinausgehenden Teil betrachtete er als „Öffentliches Gut“, das für gemeinnützige Zwecke zu verwenden sei. Er solle denjenigen zugutekommen, die an der Erzielung des Gewinns beteiligt waren: Zum einen die Beschäftigten der Stiftungsunternehmen, die soziale Sicherheit, Mitspracherechte und Vergünstigungen erhielten, die für damalige Zeiten revolutionär waren. Zum anderen die Wissenschaft, die nach Abbes Verständnis zum Erfolg der Stiftungsunternehmen beigetragen hat. Eine weitere entscheidende Grundeinstellung war seine Toleranz. In den heutigen Unternehmen ZEISS und SCHOTT sorgte er dafür, dass niemand aufgrund seiner politischen Meinung, Abstammung oder Religion benachteiligt wurde. Die 1889 gegründete Carl-Zeiss-Stiftung wurzelt in diesem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und seiner visionären sozialpolitischen Einstellung und trägt bis heute die Handschrift ihres Gründers – auch in ihrem Logo.

Der Mensch Ernst Abbe

Leben

„Was uns betrifft, so muß ich Dir eine erfreuliche Neuigkeit mitteilen. Die Else hat sich verlobt und zwar mit meinem liebsten und genialsten Schüler, der mir zugleich auch in allen Gesinnungen und Ansichten am nächsten steht von allen meinen Collegen, mit Professor Abbé. […]. Da nun Abbe zugleich ein durchaus fleckenloser Charakter ist und nur den höheren menschlichen Interessen hingegeben, so ist diese Verlobung für mich und uns als ein großes seltenes Glück zu betrachten, und ich bin von dem lebendigsten Dank zu Gott erfüllt. Möge der gütige Himmel seinen Segen zu diesem Bündnisse geben!“ (Karl Schnell zu einem Freund, 1870)

1840

Am 23. Januar wurde Ernst Carl Abbe in Eisenach geboren.

1871

Am 24. September heiratete Abbe nach einjähriger Verlobungszeit Else Snell. Sie war die Tochter von Karl Snell, seinem akademischen Lehrer und Inhaber des Lehrstuhls für Mathematik und Physik an der Universität Jena.

1872

18. November: Geburt der Tochter Margarete.

1874

30. April: Geburt der Tochter Paula.

1903

Aufgrund Schlaflosigkeit und übermäßigem Tabakkonsum verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zusehends. Am 23. September trat Abbe von der Geschäftsleitung zurück.

1905

Am 14. Januar verstirbt Abbe nach längerer schwerer Krankheit in Jena. Am 17. Januar fand im Volkshaus die Trauerfeier statt. Ein Ort, den er für seine eigene Totenfeier als geeignet angesehen haben müsste. Denn nach seinem letzten Willen sollte diese nicht auf dem Friedhof stattfinden, sondern dort, „wo Rede und Gesang keiner polizeilichen und kirchlichen Zensur unterstellt sind.“

Der Wissenschaftler Ernst Abbe

Die wissenschaftliche Laufbahn

Da Ernst Abbe als Professor sehr hohe Anforderungen an die Studierenden stellte, konnten diese seinen Vorlesungen oft nicht folgen. Als er darauf hingewiesen wurde, bot er seinen Zuhörer:innen an, ihn in seinen Ausführungen zu unterbrechen, wenn er „wieder unverständlich wird“.

1857

Abbe kam als Student ins kleinstädtische Jena mit rund 7.000 Einwohner:innen und etwa 2.000 Haushalten. Es gab weder größere Industrie noch nennenswerten Handel. Im Sommersemester studierten nur 382 Student:innen an der Jenaer Universität, der Salana. In Jena finanzierte sich Abbe durch mehrfach gelöste Preisaufgaben, woraufhin er ein Stipendium seiner Heimatstadt Eisenach erhielt.

1859

Auf den Rat Karl Snells ging Abbe nach Göttingen. Hier hörte er unter anderem auch Vorlesungen über Optik, Meteorologie und Astronomie. Auch hier war er auf Stipendien, Privatunterricht und das Lösen von Preisaufgaben angewiesen.

1861

Am 23. März promovierte Abbe in Göttingen außerordentlich erfolgreich mit einer Arbeit zum Thema „Erfahrungsmäßige Begründung des Prinzips der mechanischen Wärmetheorie“.

1863

Am 12. Mail gab Abbe seine Habilitationsschrift bei der Philosophischen Fakultät in Jena ab, die anerkennend beurteilt wurde. Um sich in Jena niederlassen zu können, war Abbe wieder auf finanzielle Hilfe angewiesen.

Im Wintersemester begann Abbe seine Lehrtätigkeit als Privatdozent und er wurde Mitglied der Jenaer Medizinisch-Naturwissenschaftlichen Gesellschaft. Bis 1894 hielt Abbe hier allein 45 Vorträge, die von seinen Zuhörer:innen positiv aufgenommen wurden.

1870

Nach zahlrechen Veröffentlichungen wurde Abbe am 5. Mai zum außerordentlichen Professor berufen.

1877

Abbe übernahm die Professur für Astronomie. Im gleichen Jahr wurde er Direktor der Sternwarte, die er bis 1900 leitete. 

1878

Abbe wurde ordentlicher Honorarprofessor und übernahm zweitweise die Fakultätsgeschäfte für seinen erkrankten Schwiegervater, Karl Snell. Er verzichtete auf sein Gehalt als Universitätslehrer und als Direktor der Sternwarte. Mittlerweile war er Mitinhaber von Zeiss und ab 1884 auch von Schott.

Der Unternehmer Ernst Abbe

Stiftungsunternehmen

„In Jena hat es mir recht gut gefallen. Prof. Abbe ist eine Persönlichkeit, welche mir sehr sympathisch ist. Mit einer außerordentlichen Liebe zu seinen Studiengegenständen verbindet er eine natürliche Gutmütigkeit und Freundlichkeit.“ (Otto Schott in einem Brief)

1866

Ab dem 3. Juli ging Abbe als wissenschaftlicher Mitarbeiter zu Zeiss, um die Arbeitsverfahren der Optiker kennenzulernen.

1870

Abbes wichtigste Leistung ist die wissenschaftliche Fundierung des Mikroskopbaus. Damit wurden die technischen Möglichkeiten in der Optik enorm erweitert. Mit der Formulierung des Abbeschen Sinussatzes begann der Aufstieg von Zeiss und der deutschen optischen Industrie an die Weltspitze.

1871

Im September schloss Abbe die immensen Berechnungen von Linsen für die Mikroskopherstellung vorläufig ab, sodass man bei Zeiss nun in der Lage war, qualitativ hochwertige große „Wasserlinsen“ herzustellen. Nach der Bestandaufnahme 1871/72 wurde Abbe für seine Bemühungen nachträglich von Zeiss vergütet.

1875

Abbe wurde stiller Gesellschafter von Zeiss.

1879

Mit der Zusammenarbeit des Glaschemikers Otto Schott konnte die Beschaffung und Herstellung guten optischen Glases sichergestellt werden.

1882

Anfang des Jahres siedelte Otto Schott nach Jena über. Mitte 1882 begannen Versuchsreihen im Abbeschen Privatlaboratorium.

1876–1891

Das Unternehmen erlebte in jenen Jahren einen ungeheuren Aufschwung. Der Umsatz verzehnfachte sich von knapp 100.000 auf über eine Million Reichsmark. Fast 30 Prozent des Umsatzes waren Gewinn. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von 42 auf 550.

Der Stifter Ernst Abbe

Carl-Zeiss-Stiftung

Die sozialpolitische Tätigkeit Ernst Abbes ist bis in unsere Zeit beispielgebend. Unter dem Motto „Keine Wohltaten – besseres Recht“ setzte er sich für die soziale Absicherung seiner Arbeiter ein. Das Entscheidende war, dass er die Sozialleistungen als einklagbare Rechte der Mitarbeitenden verankerte.

1887

Es wurde ein Fonds für eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Beschäftigten eingerichtet. Unmittelbar nach dem Tode von Carl Zeiss wurde ihm zum Gedenken ein gemeinsames Pensionsstatut der Zeiss- und Schott-Werke erlassen, dessen Leistungen weit über den gesetzlichen Bestimmungen des Deutschen Reichs, das die Rentenversicherung erst im Jahre 1889 regelte, lagen.

1888

Am 3. Dezember starb Carl Zeiss. Er machte es notwendig, Geschäftsverhältnisse und Leitung von Zeiss- und Schott-Werk neu zu regeln. Er wollte damit das Ansehen und die Wirtschaftlichkeit der beiden Unternehmen für lange Zeit bewahren und ihren schrittweißen Verfall vorbeugen. Dazu gehörte es, unabhängig von personellen Veränderungen in der Geschäftsleitung darauf hinzuwirken, bestens ausgebildete Fachkräfte zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden. Die Verbesserung der sozialen Sicherung der Arbeiterschaft war deshalb eine zentrale Aufgabe. 

1889

Am 19. Mai gründete Abbe die Carl-Zeiss-Stiftung. Seine Stiftungsidee wurzelte in seinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und seiner sozialpolitischen Einstellung. Auf dem Höhepunkt seiner wissenschaftlichen und unternehmerischen Laufbahn wollte er alles dafür tun, das Erreichte zu erhalten und dauerhaft zu sichern.
Am 21. Mai wurde die Stiftung bereits durch das Weimarer Staatsministerium entsprechend der gesetzlichen Vorschriften bestätigt und „mit den Rechten der juristischen Persönlichkeit ausgestattet“.

1890

Im Herbst verkürzte man bei Zeiss die Arbeitszeit auf neun Stunden am Tag.

1891

Abbe übertrug seine gesamten Anteile – die Hälfte der Firma Zeiss und ein Drittel von Schott & Gen. – der Stiftung. Roderich Zeiss, der 1876 Teilnehmer des Unternehmens wurde, sowie Otto Schott verpflichteten sich ebenfalls, ihre Anteile an die Stiftung zu übertragen. Damit waren beide Unternehmen im alleinigen Besitz der Carl-Zeiss-Stiftung.

1896

Anerkennung für das Stiftungswerk erhielt Abbe nicht zuletzt auch durch die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Jena mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde am 13. Dezember. In der Begründung heißt es: „Ehe er die Statuten seiner Stiftung entwarf, nahm er erst einen juristischen Kursus und arbeitete alle in Frage kommenden Materialien des bürgerlichen Gesetzbusches sorgfältig durch. Es stellen deshalb aber auch diese Statuten nach Ordnung, Sprache und Inhalt ein juristisches Meisterwerk dar, wegen dessen ihn die juristische Fakultät zu Jena durch die Verleihung des Doctor juris honoris causa auszeichnete.“

Mindestlöhne wurden für die Betriebsangehörigen festgelegt, die auch bei schlechter Geschäftslage nicht gekürzt wurden. Darüber hinaus gab es leistungsabhängige Akkordlöhne. Die Mitarbeitenden waren am Gewinn beteiligt. Zeiss und Schott gehörten zu den ersten Unternehmen in Deutschland, die ihren Mitarbeitenden bezahlten Urlaub gewährten.
Der Achtstundentag wurde bei Carl Zeiss zunächst probeweise eingeführt. Abbe ließ die Arbeitenden über die endgültige Einführung abstimmen. 
Ein Arbeiterausschuss wurde eingeführt, der von den Mitarbeitenden gewählt wurde. Dieser Ausschuss sollte in wichtigen Entscheidungen gehört werden, auch wenn er keine Mitbestimmungsrechte hatte.

Anekdoten

Hut ab!

Ernst Abbe interessierte sich nicht für Äußerlichkeiten und Mode. Er wollte einfache und schlichte Kleidung, deren Schnitt und Stoffqualität immer gleich sein sollten. Besonders verabscheute er Zylinder. Bevor er einen Zylinder aufsetzte, ging er lieber nicht zu Feierlichkeiten, zu denen man einen tragen musste. Es gab jedoch Anlässe, an denen Abbe – mit Zylinder – dabei sein sollte. Zu Hause gab es immer Diskussionen über den Hut. Wenn er endlich das Haus mit Zylinder verließ, waren alle erleichtert. Es kam jedoch vor, dass Abbe zurückkam, den Hut ärgerlich ablegte und nicht auf die Feier ging.

Das Musbrot

Ein Werkskollege konnte in der Frühstückspause immer nur ein Musbrot auspacken, da die 5 Mark, die er in der Woche verdiente, für nichts weiter reichte. Als Abbe den Jungen mit seinem Musbrot sah, erkundigte er sich nach dessen Verhältnissen. Daraufhin veranlasste Abbe, dass der Junge für die nächsten drei Monate jeden Tag zum Frühstück einen Liter Milch aus der Kantine kostenlos geliefert bekam.

Der Zigarrendieb

Abbe war ein starker Raucher. Wenn er zu Hause oder auf der Sternwarte Nächte durcharbeitete, rauchte er immer die langen Tonpfeifen, in der Firma hatte er ständig eine brennende Zigarre zwischen den Fingern. Wenn in einem Raum rauchen verboten war, legte er die Zigarre jedoch gewissenhaft draußen ab. Wenn Abbe die Sattlerei besuchte, in der rauchen verboten war, legte er seine Zigarre immer auf dem Fensterbrett ab. Eines Tages kam er aus der Sattlerei zurück und meinte: „Ich weiß nicht, immer wenn ich die Sattlerei besucht habe, ist nachher meine Zigarre verschwunden.“ Die Sattler versicherten Abbe, sie würden den Missetäter finden. Sie besorgten etwas Pfeffer und rieben damit bei Abbes nächsten Besuch die Zigarre ein. Am nächsten Tag kam ein Angestellter mit dick geschwollenen Lippen in die Arbeit, – der Zigarrendieb war festgestellt! – Abbe ließ ihn zu sich kommen und sagte ihm: „Nun, Sie rauchen ja so gerne Zigarren, hier haben sie eine ganze Kiste solcher köstlichen Glimmstengel, aber lassen Sie, bitte, in Zukunft meine Zigarre auf dem Fensterbrett ruhig liegen.“

Mahlzeit!

Einige Lehrjungen gingen nach dem Mittagessen in die Kantine über den Fabrikhof, wobei ihnen Abbe entgegenkam. Die jungen Männer freuten sich immer, wenn sie ihm begegneten. Im Vorbeigehen grüßten sie mit: „Guten Tag!“ Einer der Jungen rief jedoch überlaut: „Mahlzeit!“ Abbe erwiderte den Gruß mit: „Guten Tag!“ Dann rief er den Mahlzeit-Rufer zu sich heran und meinte: „Du kannst wohl Mahlzeit sagen, denn Du hast schon gegessen; ich habe noch nicht gegessen. Man kann nur Mahlzeit sagen, wenn man gegessen hat.“